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Die Idee es diesmal besser zu machen

  • Autorenbild: Franziska Stölzel
    Franziska Stölzel
  • 26. März
  • 2 Min. Lesezeit

Aktualisiert: 1. Apr.

Mit der Wende kam der Bruch: Nach 1989 verloren über 80.000 Menschen in der Lausitzer Kohleindustrie ihren Job. Ihre jahrzehntelange harte Arbeit wurde für die berühmte „eine Mark“ verkauft, während mehr als eine Million Menschen die Region verließen. Alles, womit sich eine ganze Gesellschaft identifiziert hatte – der industrielle Stolz, die Produktion, der Arbeitskampf – wurde in wenigen Jahren demontiert. Für die Freiheit hatten viele auf den Straßen demonstriert, doch was blieb, war das Gefühl, dass dieser Wandel nicht gerecht war.

Boxberger Kraftwerk von Paul Glaser
Boxberger Kraftwerk von Paul Glaser

Jetzt, Jahrzehnte später, stehen wir wieder vor einem tiefgreifenden Umbruch: Der Kohleausstieg kommt, diesmal begleitet von politischen Versprechen und Milliardenbeträgen für den Strukturwandel. Doch was bedeutet das konkret für die letzten 8.000 direkt Beschäftigten in der Kohleindustrie? Und vor allem: Was bedeutet es für die gesamte Region? Seit Jahren wird über den „gerechten Übergang“ geforscht, unzählige Konzepte wurden entwickelt, zahlreiche Empfehlungen formuliert. Die Frage bleibt: Warum wird so viel Wissen gesammelt – und dann nicht genutzt?

Es gibt mittlerweile Hunderte von Berichten, wissenschaftlich fundierte Analysen und von Lausitzer:innen selbst entwickelte Lösungen. Wir wissen, wie der erste große Strukturbruch nach der Wende hätte besser gestaltet werden können. Wir wissen, welche Herausforderungen der aktuelle Wandel mit sich bringt. Wir wissen, welche Themen wir Bürger:innen vermitteln müssten, wie wir junge Menschen in der Region halten könnten, welche Infrastruktur notwendig wäre. Und doch passiert oft genau das Gegenteil dessen, was sinnvoll wäre.

Gerade hier in der Lausitz gibt es unglaublich viele innovative Ideen, engagierte Menschen und echte Zukunftsperspektiven. Doch ohne die richtigen politischen Entscheidungen bleibt es bei Insellösungen, bei Pilotprojekten, die den Anschein haben, nach kurzer Zeit zu versanden. Währenddessen ziehen gut ausgebildete junge Frauen weiterhin weg – die Gruppe, die am meisten fehlt und auch zukünftig fehlen wird. Junge Menschen fühlen sich nicht ernst genommen, sehen keinen Platz für sich in der Gestaltung der Zukunft und driften in extremistische oder populistische Strömungen ab.

Wissen ist Macht – aber was bringt Wissen, wenn es ignoriert wird? Wenn Erkenntnisse nicht in politisches Handeln übersetzt werden? Strukturwandel ist eine historische Chance, aber sie kann nur genutzt werden, wenn wir endlich aufhören, an den Menschen vorbeizuentwickeln. Es reicht nicht, Studien zu schreiben und Strategiepapiere zu formulieren – es braucht echte Partizipation, mutige Entscheidungen und eine konsequente Umsetzung. Veränderung beginnt nicht mit Sonntagsreden, sondern mit der Anerkennung dessen, was schon da ist: Wissen, Engagement und Menschen, die bereit sind, die Lausitz aktiv zu gestalten. Wer junge Menschen nicht einbindet, darf sich später nicht wundern, wenn sie sich abwenden oder gegen das „System“ rebellieren.

Wissenschaft kann hier so viel beitragen – sie zeigt, wie Partizipation gelingen kann, wie Geschlechtergerechtigkeit gefördert wird und wie nachhaltige Innovationen nicht nur auf dem Papier, sondern auch in der Realität funktionieren. Als Sozialwissenschaftlerin „raised in der Lausitz“ ist es mir eine Herzensangelegenheit, diesen Wandel genau so zu gestalten, wie er geträumt wird: Groß gedacht, im Kleinen umgesetzt.

Denn wenn wir das nicht tun, verlieren wir nicht nur wertvolles Wissen, sondern auch die Chance auf eine echte, nachhaltige Transformation.

 
 
 

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